Hintergrund




Eigentlich ist Simolda ein Kaer wie viele andere.
Eigentlich...
Nur daß für die Bewohner die Plage noch lange nicht vorüber ist.

Auszug aus der Geschichte "Alte Freunde I":

"Ihr habt keinen Grund, mir zu glauben - so wie ich keinen habe, Euch zu vertrauen. Aber Eure Erzählung enthielt wenigstens einen Hauch von Hoffnung für Simolda."
Wieder seufzte Kaliya, es klang fast menschlich. Ihre Gestalt verlor die aufrechte Spannung, sie sah plötzlich uralt aus, als sie mit leiser Stimme fortfuhr: "Ihr habt recht, der Dämon bin ich. Ich weiß nicht, wie lange es her ist, wir haben aufgehört, die Tage und Jahre zu zählen. Das Kaer war sicher, dachten wir, mit Hilfe von Throal gebaut und durch unsere Magier geschützt. Bis..." Die Zwergin schluckte schwer und strich sich eine Strähne grauen Haares aus der Stirn.
"Ein Rudel kleiner Dämonen fand trotz allem eine Lücke in der Schutzhülle. Ich weiß nicht, ob es für sie einen Namen gibt. Sie zeigten sich nicht, aber drangen in die Köpfe, die Gedanken und Gefühle der Leute ein, erzeugten erst Alpträume und Aggressionen, dann trieben sie einige in den Wahnsinn und in den Tod. Besonders gern befielen sie die Zauberkundigen, wie meine Eltern. Tassa und Delmor haben sich gegenseitig getötet...
Ich war damals neun Jahre alt. Eines Tages kam ich früher von der Arbeit in den Gärten zurück, weil ich solche Kopfschmerzen hatte. Die Tür unseres Hauses stand offen und ich rannte hinein, eine finstere Ahnung im Herzen. Da lagen sie im Wohnraum, zerfleischt und verbrannt. Meine Mutter, eine ruhige, sanfte und heilkundige Elementaristin, hatte ihre Hand noch in der aufgerissenen Brust meines Vaters, sein Herz fest umklammernd. Delmor hatte wohl einen Feuerball gewirkt, um sich zu wehren, aber er hätte Mutter nie etwas angetan, wenn er noch bei sich gewesen wäre. Vielleicht ein Lähmspruch... Von Tassa war nicht mehr viel übrig außer ihrem Arm und ihren Füßen und ein paar schwarzen Knochen. Überall Ruß und Blut..." Eine Träne rann der Zwergin über die Wange, sie wischte sie weg wie ein lästiges Insekt.
"Ich weiß nicht, wie lange ich nur da stand und wartete, daß ich aus dem Alptraum erwachen würde. Langsam wurde mir bewußt, daß da meine Eltern lagen und daß sie tot waren. In diesem Augenblick ließen die stechenden Kopfschmerzen nach und neben meiner Verzweiflung spürte ich etwas wie Zufriedenheit. Trotz aller Verwirrung und allen Schmerzes hatte ich so etwas wie einen klaren Gedanken - das angenehme Gefühl in meinem Kopf stammte nicht von mir! Ich wehrte mich gegen dieses Gefühl, zuerst, weil es mir im Angesicht meiner toten Eltern nicht angemessen erschien, dann weil mir mit zunehmendem Entsetzen klar wurde, daß ich ebenfalls befallen war.
Und ich habe es geschafft. Der Dämon war zwar noch da, aber er konnte nicht gegen meine starken Gefühle aufkommen.
Ich berichtete dem Rat vom Tod meiner Eltern, allerdings nicht von dem Ding in meinem Kopf. Dabei bemerkte ich, daß einer der Ältesten vor mir zurückwich - ich stellte ihn und entdeckte die kleine Beule mit der Einstichstelle an seiner Schläfe. Als ich ihn mit all meiner Kraft festhielt und mich seinem Kopf näherte, begann die kleine Wunde zu bluten und ein ekelhaftes schwarzes Ding mit vielen Tentakeln kroch heraus, um vor mir zu fliehen. Ich zertrat es auf dem Boden.
Danach zog ich durch das Kaer und untersuchte die Leute. Es geschah immer das Gleiche, die Dämonen flohen vor mir aus den Köpfen der Befallenen, bis ich endlich alle vernichtet hatte. Und erschreckend wie es war, das Ding in meinem Kopf labte sich an meinem Ekel und an meiner Trauer um diejenigen, die die Entfernung des Parasiten nicht überlebten und übertrug seinen Gefühle auf mich. Und mir fiel es immer schwerer, mich gegen die Anfälle von Sadismus und Mordlust zu wehren, die mich manchmal sogar im Schlaf überfielen.
Eigentlich wollte ich danach nur noch ein ruhiges Plätzchen suchen um zu sterben und überlegte nur noch, wie ich den Dämon daran hindern konnte, nach meinem Tod jemand anderes zu befallen.
Da kam der nächste Dämon, diesmal etwas Großes. Es gelang ihm, den Schutz des Einstiegs zu zerstören und bis zu den Minen vorzudringen. Die letzten unserer Krieger stellten sich ihm entgegen, als er versuchte, das Steintor zu durchbrechen und ich kam zu ihnen. Einerseits hatte ich bei meinen Eltern einiges gelernt und zum anderen hoffte ich auf einen raschen Tod. Das Portal war kurz vor dem Zusammenbruch und die Kämpfer, die hinter steinernen Barrikaden auf das Durchbrechen des Dämons warteten, hatten alle Hoffnung aufgegeben. Die steinernen Türflügel glühten in hellem Rot, und ich zauberte einen Schneesturm, um sie abzukühlen. Heute weiß ich, daß das völlig falsch war, aber ich war fast noch ein Kind...
Die Schutzrunen waren vernichtet und ein kräftiger Stoß hätte die Tür in Staub verwandeln können. Der Dämon bevorzugte es jedoch, sich als gelblicher Nebel durch den haarfeinen Spalt zwischen den verzogenen Türflügeln zwängen. Ich war wirklich lebensmüde, als ich direkt in den Nebel hineinging. Und gleichgültig unserem Schicksal gegenüber. Mein Schmerz war so tief, daß es nicht mehr schlimmer werden konnte und die Angst hatte ich längst hinter mir gelassen. Und der Nebel zog sich zurück!
Noch dreimal versuchte ein Dämon, das Kaer zu betreten und jedesmal verschwand er wieder, wenn ich ihn berührte. Dabei wuchs das Ding in meinem Kopf und teilte seinen Triumph mit mir.
Seitdem ist also dieses Wesen in mir. Wahrscheinlich brauchen wir uns gegenseitig. Es erhält mich am Leben weit über meine Zeit hinaus und verhindert das Eindringen anderer Dämonen in unser Kaer und ich - ich liefere ihm die Gedanken, Gefühle, Ängste und Träume, von denen es sich ernährt. Wenn ich wach bin, kann ich es ganz gut kontrollieren. Und ich habe mich daran gewöhnt, in Fesseln zu schlafen. Nach all den Jahren sind wir vermutlich untrennbar verschmolzen.
Ich weiß also ganz sicher, daß es noch Dämonen gibt. Und Ihr kommt her und tischt uns eine Geschichte vom Ende der Plage auf!"



Weiter

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

Zurück zur Startseite