„Wir müssen ihn beseitigen! Er stellt eine Gefahr für den gesamten Widerstand dar."
Thomalas Janrud war aufgesprungen. Seine Augen flackerten - vielleicht nur der Widerschein der Fackeln, die den düsteren Versammlungsraum in den Katakomben in rötliches Licht tauchten. „Vielleicht ist er von einem Dämonen befleckt oder noch schlimmer, die Theraner haben ihn umgedreht!" Der Magier ließ seine Worte wirken - die Konsequenzen waren allen klar. Schon einmal hatte es einen Verräter gegeben und einige Mitglieder des Widerstands waren den Grausamkeiten theranischer Soldaten zum Opfer gefallen. Zum Glück hatte der Überläufer nur wenige Namen gekannt, aber wenn jetzt Kron ... Die meisten Teilnehmer der geheimen Versammlung konnten ihr Schaudern nicht verbergen. Kron gehörte zum inneren Kreis, er kannte jeden und jede, die hier saßen, er hatte das Netz der Informanten geknüpft und wußte alles über die geheimen Wege durch das Labyrinth der Katakomben unter Vivane. Kron, der insgeheim schon als der Nachfolger Janruds gehandelt wurde ... Diesmal schien aus den Worten ihres Anführers nicht nur sein fast schon paranoides Mißtrauen zu sprechen. Die Mitglieder des Führungsstabes begannen zu tuscheln. „So ein Unsinn!", ließ sich plötzlich eine tiefe Stimme vernehmen. Ein Zwerg, einer der wenigen, die ruhig geblieben waren, erhob sich ebenfalls. Gandrick mußte auf seinen Stuhl steigen, um Thomalas gerade in die Augen sehen zu können, aber das machte er immer, wenn er sich mit ihrem Anführer auseinandersetzte. Der Kaufmann aus dem theranischen Viertel hielt über seine Handelsrouten und -beziehungen die Verbindung nach Throal aufrecht - eine Verbindung, gegen die Thomalas sich immer gewehrt hatte. „Keiner kann Kron umdrehen. Ihr wißt alle, was die Theraner mit seiner Familie gemacht haben - er würde sich eher in Scheiben schneiden lassen als mit ihnen zusammenzuarbeiten. In sehr dünne Scheiben ... Und ein Dämon? Wo sollte er den getroffen haben? Kron hat in den letzten Monaten Vivane nicht verlassen. Ich denke, wir sollten ihm eine Chance geben. Was hat er denn so Schlimmes getan? Eine kleine Rangelei unter Freunden ..." Die Versammlung begann wieder zu murren. Sebella, eine Menschenfrau, der Kron beim letzten Treffen die Nase gebrochen hatte, stand ebenfalls auf. „Er hat jetzt schon dreimal ohne jeden Grund seine Freunde angegriffen. Ich habe seine Augen gesehen - er war nicht mehr er selbst. Es mag sein, daß er aus irgend einem Grunde verrückt geworden ist, aber ich glaube, es war nur Glück, daß es bisher keine Toten gegeben hat." Einige andere Versammlungsteilnehmer, die den Ork ebenfalls in der letzten Woche erlebt hatten, nickten. Sebella fuhr fort: „Er ist eine Gefahr, egal aus welchem Grunde er so reagiert. Wir müssen ihn aus dem Verkehr ziehen." Unter dem beifälligen Murmeln der anderen setzte sich die Diebin wieder. Gandrick, der immer noch auf seinem Stuhl stand, nickte. „Du hast recht. Und ich habe auch schon dafür gesorgt. Er hat sich in einem lichten Moment bereit erklärt, unter Bewachung mit einer meiner Karawanen mitzureisen und nach Heilung zu suchen. Falls er innerhalb von vier Monaten keine Hilfe gefunden hat, beugt er sich jedem Urteil des Widerstands." Zufrieden in seinen grauen Bart lächelnd nahm der Zwerg wieder Platz und beantwortete keine der auf ihn einstürmenden Fragen nach dem Ziel der Reise, der Chance auf eine Heilung von Krons Wahnsinn oder seinen Motiven. Nur ganz tief in seinem Inneren schickte er ein Gebet an die Passionen, daß sein bester Freund gesund und lebendig wiederkommen würde. |
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